Samstag, 7. September 2013

Wenn man besseres vor hat, als krank zu sein....

Ein Phänomen, das mich hier im Krankenhaus immer wieder erstaunt, ist die Vorhersagbarkeit der Betriebsamkeit eines Tages. Steht nämlich irgendein großes Ereignis an, so weiß man schon morgens: Heute haben die Leute besseres vor, als krank zu sein. Und dann bleibt das Wartezimmer eben leer...
 
Ein solches Ereignis war zum Beispiel letzte Woche Donnerstag.
Vor acht Monaten hatte es in Ghana Wahlen gegeben. Allerdings war das Ergebnis von der ehemaligen Regierung nicht akzeptiert worden und es wurde Klage wegen Wahlbetrug eingereicht. Tja, und am "judgement day" (besagter Donnerstag) sollte der achtmonatige Gerichtsstreit schließlich beigelegt werden und am "Supreme Court" eine endgültige Entscheidung gefällt werden.
Die ganze Nation war in Spannung und man hatte riesige Sicherheitsmaßnahmen aufgefahren (okay, hier in Kokofu hat man davon nicht viel mitbekommen) aus Angst vor Ausschreitungen, in den großen Städten hatten sämtliche Läden geschlossen.
Aber letztendlich ist alles gut ausgegangen. Das Gericht erklärte das Wahlergebnis für legal, die ehemalige Regierung erkannte ihre Niederlage an, es gab klärende Gespräche und überall ist alles friedlich abgelaufen.
Klar, dass man da lieber vor dem Fernseher sitzt und alles gebannt mitverfolgt, als sich behandeln zu lassen.
 
Ein anderes Ereignis war gestern Nachmittag das Fußballspiel Ghana gegen Sambia, es ging um die Qualifikation für die Weltmeisterschaft. Auch jetzt war wieder klar: Heute kommt niemand.
Und tatsächlich: Ab vier Uhr (Anstoßzeit) waren die Straßen wie leer gefegt und überall, wo sonst laut Musik gehört wird, war alles still. Hier, wo normalerweise nichts ungenauer genommen zu werden scheint als Uhrzeiten und Termine, wollte keiner auch nur eine Sekunde verpassen!
Diese Atmosphäre hat mir dann doch ein Stückchen Heimat zurückgebracht: Das gemeinsame vor-dem-Fernseher-Sitzen-und-Mitfiebern, das Ausbuhen der Gegner.... all das ist aus Deutschland ja auch bekannt :).
Nur die Übertragung war etwas anders: Wegen des Doppelbildes hatte ich ehrlich gesagt Schwierigkeiten, zu erkennen, wie viele Personen sich gerade gleichzeitig auf wie viele Bälle stürzen und welche davon jetzt Realität und welche nur Konturen waren.... aber das tat der Stimmung keinen Abbruch. Zwischendurch brach auch mal das Bild zusammen und stattdessen erschien das Logo: "Ghana TV - the Pulse of the Nation", was meine Arbeitskolleging - ganz Krankenschwester - folgendermaßen kommentierte: Wir müssten alle längst tot sein, so oft und lange, wie unser Puls aussetzt!"
Leider wurde das Spiel nur von Ghana TV übertragen....
Aber, wie gesagt, alles in allem scheint das Fußballfieber wirklich ein Kulturgrenzen überschreitendes Phänomen zu sein.
 
Ach ja, das Wichtigste hätte ich fast vergessen: Die "Blackstars" (wie die ghanaische Nationalmannschaft genannt wird) hat 2:1 gewonnen!

2 Kommentare:

  1. Bei uns war heute auch wenig los, auf jeden Fall an Besuch, weil keiner es bis zum Krankenhaus geschafft hat... war Marathon in Münster ;-)

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  2. Also so ist das in den Arztpraxen in Deutschland: Notfälle sind vorwiegend an folgenden Tagen: Montag, Mittwoch, Freitag
    Am Freitag, weil es vor dem Wochenende, am Montag, weil es nach dem Wochenende ist, am Mittwoch, weil am Nachmittag die Praxen geschlossen haben. :) Zusammenfassend kann man sowohl für Ghana und Deutschland (und ich vermute auch für andere Länder) sagen: Notfälle werden wohl auch manchmal in der Bewertung des Betroffenen empfunden :) JHWL

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